Energieberatung - Schlüssel zur Energiewende? Fachtagung mit knapp 250 Teilnehmern

Dieses Thema im Forum "Neuigkeiten - So Dies und Das" wurde erstellt von Roki Portal Redaktion, 13 Januar 2017.

  1. Energieberatung – kann die nicht bald einfach eine App übernehmen? Oder gleich das Smart Home? Welche Anforderungen die Digitalisierung und andere Trends künftig an Inhalt und Form der Energieberatung stellen, war am Donnerstag Thema der Tagung "Energieberatung – Schlüssel zur Energiewende?" der Verbraucherzentrale NRW.

    Expertinnen und Experten aus Forschung, Praxis und Politik, darunter NRW-Klimaschutzminister Johannes Remmel, diskutierten bei der Veranstaltung in Düsseldorf vor rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

    "Eine Schlüsselrolle in der Energiewende kann die Energieberatung nur einnehmen, wenn sie sich stetig weiterentwickelt, wenn sie selbst eine Art ‚Energieberatungswende‘ durchläuft", betonte Verbraucherzentralen-Vorstand Wolfgang Schuldzinski eingangs. Als einen Kernpunkt benannte er die verstärkte Hinwendung zu den Prosumern, die die Energiewende voranbrächten. Diese Pioniere seien genauso zu unterstützen wie diejenigen Haushalte, denen die ungerecht verteilten Energiewendkosten derzeit ein Loch in den Geldbeutel rissen. Gerade weil die Ausgangslagen so unterschiedlich seien, könne allein eine individuelle, persönliche Beratung allen Anforderungen gerecht werden. "Die Digitalisierung bietet dabei große Chancen", sagte Schuldzinski. Wie moderne Technik auch klassische Energieberatungsthemen um neue Perspektiven bereichern kann, zeigte die Verbraucherzentrale NRW zudem am Beispiel eines Pilotprojekts zur Flugdrohnen-Thermografie.

    NRW-Klimaschutzminister Johannes Remmel betonte die Notwendigkeit der Einbindung der privaten Haushalte in die Energiewende. "Die große Veränderung braucht nicht nur die staatlichen Entscheidungen. Sie benötigt auch unbedingt das gelebte Beispiel vor Ort: den Erfindungsreichtum der Bürgerinnen und Bürger, die vielen Talente, die mit ihren Produkten und Ideen die ökologischen Chancen aufzeigen." Die aufsuchende Energieberatung der Verbraucherzentrale NRW spielt aus seiner Sicht eine zentrale Rolle für die Energiewende und ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele. Sie lebe von der nahezu flächendeckenden Erreichbarkeit der Verbraucherzentralen, der Glaubwürdigkeit und ihrer Unabhängigkeit. Deshalb fördere das nordrhein-westfälische Umweltministerium die aufsuchende Energieberatung der Verbraucherzentrale NRW bereits seit vielen Jahren. "Gerade die Energiewende benötigt das Doppelpassspiel aus politischer Rahmensetzung und individueller Beratung." Er wolle die Verbraucherzentrale NRW auch künftig unterstützen, um Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg in eine digitale Energiewelt zu begleiten und neue Geschäftsmodelle wie etwa den Mieterstrom voranzutreiben.

    Die Qualitätssicherung in der Energieberatung thematisierte Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena). "Gefragt sind Experten, die die individuellen Möglichkeiten des Hauses und das System dahinter sehen, die sich im Dschungel der Fördermittel auskennen und bei den technischen Möglichkeiten am Puls der Zeit sind", sagte er. Eine derartig hochwertige Sanierungsberatung und -begleitung sei leider noch nicht flächendeckend zu finden. Doch die mittlerweile knapp 14.000 hochqualifizierten Einträge in der wachsenden Liste der Energieeffizienz-Experten für Förderprogramme des Bundes seien ein gutes Zeichen. Zudem wirkten die hiesigen Standards energieeffizienten Bauens auch über die Grenzen Deutschlands hinaus. "Im Ausland ist das Interesse an unserer Energiewende groß", betonte Kuhlmann. Das zeigten nicht zuletzt die Kooperationen der dena etwa mit chinesischen Planern, Architekten und Bauleuten, die Deutsch-Französische Energieplattform sowie gemeinsame Projekte in Russland und der Ukraine.

    Zukunftsforscher Lars Thomsen nahm die Zuhörenden mit auf eine Zeitreise. Für die kommenden zehn Jahre beschrieb er große Umbrüche. "Das Ende der Dominanz der fossilen Brennstoffe ist näher, als manch einer denkt", sagte Thomsen. Schon bald seien die erneuerbaren Energien weltweit günstiger als die fossilen. Im Zuge der Dekarbonisierung entstehe ein dezentrales, feinmaschiges und nahezu demokratisiertes Energiesystem. "Eines der größten Wachstumsfelder und zugleich eine der größten Herausforderungen wird die Integration von Speicherkapazitäten sein", sagte Thomsen. Die produzierte Kapazität werde sich innerhalb der kommenden zehn Jahre verhundertfachen, nicht zuletzt durch einen massiven Zuwachs bei der Elektromobilität. Der Megatrend der Digitalisierung führe zudem auch in der Arbeitswelt zu Disruptionen. In zehn Jahren übernähmen Computer mit künstlicher Intelligenz viele Routinetätigkeiten. Der Mensch als Arbeitskraft qualifiziere sich dann vor allem über Fähigkeiten wie Innovativität, Kreativität und Empathie.

    Eine klare Vision formulierte Professor Viktor Grinewitschus von der EBZ Business-School: "Wir brauchen einen Wandel weg von der statischen, hin zur dynamischen Energieberatung." Der Blick der Branche sei teils verengt auf Strukturen wie die Eigenschaften der Gebäudehülle oder das Alter des Heizkessels. "Das Potenzial, das in Regelungstechnik und Nutzerverhalten liegt, muss künftig stärker gehoben werden", forderte Grinewitschus. "Wir müssen analysieren, wie gut Gebäude, Anlagen und Nutzer zusammenspielen." Das Smart Home spiele dabei eine entscheidende Rolle. Zum einen liefere es konkrete Messdaten, die eine bessere Basis für individuelle Beratungen darstellten als statische Annahmen. Zum anderen ermöglichten die Systeme ein Feedback an die Nutzer, die so ihre eigenen Verbrauchsprofile in den Blick bekämen. Dies sei eine gute Grundlage für Verhaltensänderungen und Optimierungen.

    Das Bild eines ausdifferenzierten Markts für Energieberatungen zeichnete Markus Duscha vom Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU). Er bezog sich auf eine aktuelle Studie der Bundesstelle für Energieeffizienz (BfEE), für die bundesweit 1.400 Energieberater und 3.000 Haushalte befragt wurden. "Die privaten Kunden wünschen sich vor allem eines von der Energieberatung: Unabhängigkeit", sagte Duscha, der für Teile der Studie mitverantwortlich ist. Dieser Faktor sei den Befragten deutlich wichtiger als etwa ein günstiger Preis. Angesichts der staatlichen Förderung für etwa die Hälfte aller Beratungen in Privathaushalten sei aber auch die Erschwinglichkeit weitgehend gesichert. Für die Anbieter hingegen werde die Energieberatung zunehmend zur auskömmlichen Tätigkeit. Die zu erzielenden Preise seien in den vergangenen drei Jahren merklich gestiegen. Die Branche zeige sich überwiegend optimistisch und Blicke auch neuen Schwerpunkten entgegen: "Perspektivisch wird die nachsorgende Begleitung eine größere Rolle spielen", sagte Duscha voraus.

    Die konkreten Auswirkungen der Digitalisierung auf die Berufspraxis in Planung, Beratung und Handwerk waren zum Abschluss Thema einer Podiumsdiskussion. Hierzu kamen Energieberaterin Anke Hormel von der Verbraucherzentrale NRW,

    Pia Grund-Ludwig als Geschäftsführerin des Enbausa-Online-Magazins, Marie-Elis Marwitz aus der Organisationsberatung des Fachverbands Sanitär, Heizung, Klima NRW, Jörg Friemel aus dem Vorstand der IK Bau NRW und Jens Fiedler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Institut für wissenschaftliche Weiterbildung der Hochschule Düsseldorf zu Wort.

    Druckfähige Bilder und ein Video von der Veranstaltung sowie mehrere Vorträge zum Download gibt es unter www.verbraucherzentrale.nrw/tagung-energieberatung.

    Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt.

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